Contents
1. Definition Private Debt
Gemeinhin existieren für den Begriff «Private Debt» verschiedene Definitionen. Im weitesten Sinne umfasst Private Debt jegliche Fremdkapitalfinanzierung von Unternehmen über einen nicht öffentlich gehandelten Markt. Darin eingeschlossen sind daher im weitesten Sinne alle Formen von Bankkrediten, Darlehen durch Nicht-Banken, Schuldscheindarlehen, Spezialfinanzierungen, Konsumkredite, private Immobilenfinanzierungen etc. Im Gegensatz zum öffentlichen Markt sind Private Debt Instrumente typischerweise illiquid. Deshalb beabsichtigt der Geldgeber üblicherweise, das Engagement bis zum Ende der Laufzeit aufrecht zu erhalten. Im Weiteren fehlen meist öffentliche Marktpreise für diese Instrumente.
Häufig wird der Begriff Private Debt in einem engeren Sinne verstanden und beschränkt sich – wie auch im Rahmen dieser Studie – auf nicht börsengehandelte, «private» Kreditfinanzierungen von Unternehmen durch Nicht-Banken.
Typischerweise finden Private Debt Finanzierungen bei kleineren und mittelgrossen Unternehmen «KMU» (bis 250 Mitarbeitenden) und bei «kleineren» Grossunternehmen (z. B. im Bereich 250 – 2’500 Mitarbeitende – teilweise auch grösser) statt. Private Debt Finanzierungen werden von «grossen bis sehr grossen» Grossunternehmen (>2’500 Mitarbeiter) nur selten eingesetzt, da sich diese Unternehmen oft über grössere syndizierte Kredite oder am Kapitalmarkt finanzieren können.
Die finanzierten Unternehmen können sowohl im Besitz von Private Equity Fonds sein (sog. «Private Equity-gesponsorte Unternehmen» oder kurz «gesponsorte Transaktionen») als auch im Besitz anderer Inhaber, zum Beispiel im Besitz von privaten Investoren, einer Familie oder an der Börse kotierte Unternehmen (sog. «non-sponsored» resp. «nicht-gesponsorte Transaktionen»).
Ein weiterer Begriff, welcher in diesem Zusammenhang oft unterschiedlich verwendet wird, ist «Direct Lending». In der deutschsprachigen Praxis wird dieser Begriff oft als Synonym von Private Debt verwendet. In der angelsächsischen Praxis wird er aber hauptsächlich als eine Unterkategorie von Private Debt verwendet. Er umfasst meist die Aktivitäten der sogenannten «Direct Lending Fonds», welche grundsätzlich «direkt» in Unternehmen investieren wollen, das heisst nicht in von Banken syndizierte Kredite. Aufgrund der anhaltenden Wichtigkeit der Banken und deren Syndizierungsaktivitäten nehmen diese Fonds in Realität aber teilweise auch an syndizierten Transaktionen teil. Zudem ist der Investitionsfokus dieser Fonds meist eine Mischung aus erstrangigen gesicherten, sogenannten «Senior Secured», als auch nachrangigen Instrumenten (z. B. sog. «Mezzanine») oder sogenannten «Unitranche» Instrumenten. Umgekehrt investieren Direct Lending Fonds jedoch weder ausschliesslich in Senior Secured Debt noch ausschliesslich in Mezzanine oder notleidende, sogenannte «Distressed», Kredite.
2. Untersuchungsgegenstand Private Debt in dieser Studie
Für die vorliegende Studie wird der Begriff Private Debt nach weiteren Kriterien gemäss dem morphologischen Kasten in Abbildung 1 eingegrenzt. Die hellblau hinterlegten Ausprägungen stehen im Fokus dieser Untersuchung.
Abb. 1: Morphologischer Kasten zur Abgrenzung des Begriffs «Private Debt Schweiz»
Im Rahmen dieser Studie werden ausschliesslich Finanzierungen von operativen Schweizer Nicht-FinanzUnternehmen betrachtet. Die Finanzierung der öffentlichen Hand durch Nicht-Banken wird in dieser Studie nur am Rande thematisiert. Besitzer der Geldnehmer können sowohl gesponsorte Unternehmen als nicht-gesponsorte Unternehmen sein. Auch spezifisch ausgeschlossen von dieser Studie und den entsprechenden Volumenschätzungen sind Private Debt Finanzierungen im Bereich Immobilien (Real Estate), Infrastruktur und bei der Finanzierung von Rohstoffen, welche insbesondere im Ausland teilweise auch durch Nicht-Banken finanziert werden. Ausgenommen von dieser Studie sind auch Schuldscheindarlehen, da diese meist mindestens durch Banken handelbar sind und daher als quasi-öffentlich angesehen werden können. Das Domizil des Geldgebers ist nicht entscheidend und kann sich demnach in der Schweiz oder im Ausland befinden. Als typische Geldgeber treten institutionelle Investoren wie Pensionskassen, Versicherungen, Vermögensverwalter («VV») und Family Offices («FO») auf. Diese stellen das Fremdkapital entweder über einen Private Debt Fonds Manager oder direkt mittels Broker oder auch ohne Broker zur Verfügung. Die Vergabe über einen Broker kann über eine elektronische Plattform («online») oder über den klassischen Weg ohne den Einsatz einer elektronischen Plattform («offline») erfolgen. Betreffend Transaktionsvolumen werden verschiedene typische Grössencluster betrachtet. Hinsichtlich der Laufzeit werden kurzfristige Transaktionen mit einer Laufzeit von weniger als einem Jahr nicht untersucht und somit sämtliche Geldmarktfinanzierungen ausgeklammert.
Auch ausgeschlossen sind Darlehen von Privaten, insbesondere sogenannte «Vendor Loans», welche im Zusammenhang mit Unternehmensverkäufen oft durch den ehemaligen Besitzer gewährt werden. Vendor Loans stellen oft, insbesondere bei kleineren Transaktionen, die grösste Konkurrenz zu Private Debt dar. Diese werden oft auch zur Sicherung von Gewährleistungsansprüchen genutzt. Zudem sind Vendor Loans meist kostengünstiger als nachrangige Darlehen und stellen sicher, dass der ehemalige Eigentümer einen Anreiz hat, die verkaufte Unternehmung weiter zu unterstützen.
3. Investitionsstrategien und -formen in Private Debt
Private Debt gemäss vorangehender Abgrenzung ist keine homogene Anlageklasse. Es können verschiedene Strategien und Instrumente eingesetzt werden. Innerhalb von Private Debt gibt es verschiedene Unterkategorien was Instrumente und Fondstypen betrifft. Die wichtigsten sind:
- Senior Secured Loans sind besicherte Kredite. Der Coupon besteht typischerweise aus einem variablen Zins plus einer unternehmensspezifischen Marge, welche das Kreditrisiko entschädigt. Im Leveraged Loan Geschäft unterscheidet man zwischen sogenannten «First Lien Loans» und «Second Lien Loans». Beides sind fast immer besicherte Kredite, mit dem Unterschied, dass erstbesicherte «First Lien Loans» in einem Konkursfall zuerst die Sicherheit erhalten und – nur falls noch Erlöse übrig sind – die sogenannten «Second Lien Loans», respektive zweitbesicherte Kredite bedient werden. In den letzten Jahren hat die Vergabe von Second Lien Loans stark zugenommen und ungesicherte Tranchen, wie sogenannte Mezzanine Finanzierungen, zu einem grossen Teil substituiert.
- Mezzanine-Finanzierungen sind nachrangige Kredite, die in der Bilanz eines Unternehmens zwischen Senior Debt und Eigenkapital zu finden sind. Deshalb auch der Name «Mezzanine», was so viel wie in der Mitte bedeutet. Mezzanine Kapital beinhaltet typischerweise einen fixen Coupon teilweise ergänzt durch Optionen oder aktienähnliche Eigenschaften, um höhere Renditen zu erzielen. Im internationalen Bereich sind Mezzanine Finanzierungen meist unbesichert, da die Sicherheiten an die Senior Loan Kreditgeber gegeben werden. In der Schweiz sind Mezzanine Darlehen teilweise besichert.
- Junior/Subordinated Capital: «Junior Capital» ist ein allgemeiner Begriff, der neben Mezzanine Kapital noch andere Kapitalinstrumente umfasst und je nach Definition neben nachrangigen Krediten teilweise auch das Vorzugskapital miteinbezieht.
- Unitranche Finanzierungen sind Finanzierungen, welche nur eine Tranche aufweisen (daher «Unitranche»). Typischerweise kombinieren sie Senior Loans und Mezzanine, in dem Sinne, dass der Fremdfinanzierungsgrad (der sog. «Leverage Level») bis zum Grad einer typischen Mezzanine Finanzierung geht. Die Kosten einer Unitranche Finanzierung richten sich typischerweise – bei vergleichbaren Fremdfinanzierungsgrad und ähnlichen anderen Kreditkenngrössen – am gewichteten Durchschnitt der Senior und Mezzanine Tranche plus einem gewissen Aufschlag.
- Distressed Debt und Special Situation-Strategien: Bei Distressed Debt werden Kreditforderungen zu einem grossen Abschlag am Markt oder von bestehenden Gläubigern erworben, weil der Kreditnehmer finanziell notleidend (sog. «Distressed») ist. Special Situation-Strategien nutzen spezifische Preis- und Liquiditätssituationen im Markt aus. Investiert wird in diesem Fall in bilateral ausgehandelte Kredite oder im Sekundärmarkt.
- Venture Debt ist ein relativ neues Phänomen. Dabei werden Kredite an Venture Capital Firmen gewährt, welche zu einem grossen Teil noch keine positiven Cash Flows erwirtschaften.
Abb. 2: Anteil verschiedener Finanzierungsinstrumente weltweit, 2009-2018 (Preqin, 2019)
Abbildung 2 zeigt die weltweite Entwicklung der verschiedenen verwendeten Finanzierungsinstrumente aller durch Private Debt Fonds finanzierter globaler Transaktionen über die Jahre 2009 bis 2018. Die wichtigste Entwicklung ist sicherlich ein materieller Anstieg der Senior Debt Tranchen und teilweise der Unitranche Finanzierungen. Reduziert haben sich insbesondere die Mezzanine Tranchen. Wie schon erläutert, hat die Finanzierung durch «All Senior-Strukturen» hauptsächlich deshalb zugenommen, weil sich die Kreditbedingungen nochmals zugunsten der Emittenten entwickelt haben. Diese konnten die gewünschte Finanzierung meist über eine All Senior-Struktur erreichen und brauchten keine Mezzanine-Finanzierung.
Dies widerspiegelt sich auch im Anteil der verschiedenen Kapitalaufnahmevolumen von Private Debt Fonds, welches im Jahr 2017 gemäss Preqin zum ersten Mal die Marke von USD 100 Mrd. überschritten hat. Direct Lending stellte im Jahr 2018 weiterhin den grössten Anteil des globalen Private Debt Kapitalaufnahmevolumen (dem sog. «Fundraising») dar. Siehe hierzu auch Abbildung 3.
Ein sehr bedeutender Teil von Private Debt geht weiterhin in das Segment Distressed Debt. Dies insbesondere aus dem Grund, weil die Banken in diesem Bereich typischerweise nicht aktiv sind (mit Ausnahme einiger spezialisierter Teams innerhalb gewisser Investmentbanken). Zudem hat dieses Segment den letzten Jahren eine gute Rendite erzielt.
Abb. 3: Anteil Fundraisingvolumen Private Debt, 2012- 2018 (Preqin, 2019)